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Poverty is the worst problem

An interview about Armenia with WECF project leader Gero Fedtke (Text in German)

24.01.2006 |Sabine Brückmann




Ein Dorf in Armenien im letzten Winter

Die Armut ist das größte Problem in Armenien   


Projekte in Osteuropa, der Ukraine, Afghanistan, Armenien   
Internationaler WECF-Workshop tagt mit UNSER LAND in Fürstenfeldbruck - Armenien macht sich weniger Gedanken um das Atomprogramm des Nachbarlandes Iran als um mögliche Reaktionen

   
Der WECF - Women in Europe for a Common Future - eine Nichtregierungs-Organisation und das Netzwerk UNSER LAND tagen vom 19. - 23. Januar im Landwirtschaftsamt Bruck. Die Themen-Palette reicht vom Biogas über ein gemeinsames Positionspapier bis zu Themen des Ökologischen Landbaus /Kontrollen/Vermarktung am Beispiel von Projekten in der Ukraine/Rumänien und Armenien. Hedwig Spies, Redakteurin des KREISBOTEN Fürstenfeldbruck , führte mit dem Zentralasien- und Kaukasus-Koordinator von WECF, Gero Fedtke, vorab ein Gespräch.

Gero Fedtke, Zentralasien- und Kaukasus-Koordinator von WECF München, Historiker mit Russischkenntnissen, betreut Armenien.
   
Herr Fedtke, von Armenien, früher ein Teil der Sowjetunion, weiss man kaum etwas hierzulande. Armenien ist mit Afghanistan und Usbekistan Teil eines Projektes von WECF - Women in Europe for a Common Future – und Partnerorganisationen in den Ländern, das Sie als ausgebildeter Historiker mit Schwerpunkt Osteuropa und russischer Sprache koordinieren. In Fürstenfeldbruck werden Sie vom 19. - 23. Januar mit internationaler Beteiligung auf Einladung des Netzwerkes UNSER LAND einen workshop gestalten. Welche Probleme hat speziell Armenien?

Gero Fedtke: Armenien ist nach dem Zerfall der Sowjetunion in eine schwere Krise gestürzt, von der sich das Land nur allmählich erholt. Das Hauptproblem ist die Armut im ländlichen Raum. Der ungelöste Karabach-Konflikt, infolgedessen die Grenzen zu zwei von vier Nachbarländern geschlossen sind, ist eine politisch wie wirtschaftlich schwere Belastung.

Zu welchen Nachbarländern sind die Beziehungen intakt?

Gero Fedtke: Zu Georgien, Rußland und vor allem zum Iran pflegen die Armenier gute Beziehungen. Zahlreiche Iraner leben und arbeiten in Eriwan. Es gibt viele iranische Restaurants. Die Moschee in Eriwan wurde mit iranischem Geld renoviert.

Beurteilen die christlichen Armenier, die ja vor einem Jahrhundert einen Genozid durch die Türken erleiden mussten, die islamische Republik Iran und ihre Nuklearambitionen milder als andere?

Gero Fedtke: Nationalismus ist ein wichtigerer Faktor als Religion – das galt bereits für den Genozid von 1915. Aus Sicht vieler Armenier sind die Iraner die besten Nachbarn. Armenien macht sich weniger Sorgen um das Atomprogramm des Nachbarstaates als vielmehr darum, dass dieses einen "Gegenschlag" heraufbeschwören könnte.

Wie kamen Sie zu WECF und wie beurteilen Sie die Lage der ländlichen Bevölkerung sowie die Landwirtschaft in Armenien? Was wird hauptsächlich angebaut?

Gero Fedtke: Ich bin über eine Zusammenarbeit zwischen WECF und dem Berliner „Wasser für die Kinder des Aralsees“ zu WECF gekommen. Sicher ein ungewöhnlicher Weg für einen Historiker. In Armenien wird erfolgreich Wein angebaut, die Landwirtschaft erzeugt hervorragende Produkte. Aber nur ein kleiner Teil der Landbevölkerung hat Anteil an einträglichen Geschäften. Das Leben der allermeisten Menschen auf dem Land ist hart. Die großen Kollektivfarmen sind aufgelöst und ihre Bewässerungssysteme zusammengebrochen. Das Land ist privatisiert, und die Bauern müssen sich nun durchschlagen. Viele bauen Getreide und Gemüse an und halten z.B. eine Kuh oder Hühner - ausschließlich für den eigenen Verbrauch. Damit kommen sie so gerade über die Runden. Die Produktivität ist relativ gering. Wer einen Gasanschluss hat, kann damit nicht heizen, weil das Geld fehlt. Es ist ein Erbe der industrialisierten Landwirtschaft der Sowjetunion, dass die Menschen den Einsatz von Kunstdünger und Pestiziden für notwendig erachten – obwohl sie sich das kaum leisten können. Die Menschen sind sehr gebildet – aber sie können vieles von dem, was sie wissen, nicht umsetzen.

Sie versuchen mit Methoden des ökologischen Landbaus zusammen mit den Armeniern die Landwirtschaft in Armenien produktiver und gesünder zu machen. Zugleich dienen Trockentoiletten der Gewinnung von organischem Dünger sowie dem Schutz des Grundwassers. Denn vereinzelt gibt es auch Probleme durch einen zu hohen Nitratgehalt im Trinkwasser. In Armenien ist auch der Brennnstoff Holz ein Problem - er ist knapp und teuer.

Gero Fedtke: Wenn man die Lebensbedingungen im ländlichen Raum verbessern will, kann man an verschiedenen Stellen ansetzen und doch hängt alles zusammen. Ökologischer Landbau bedeutet unter anderem Pflege des Bodens, der durch die industrialisierte Landwirtschaft ausgelaugt ist. Er bedeutet einen geschlossenen Nährstoffkreislauf. Trockentrenntoiletten erhöhen den Komfort und sind hygienischer und damit gesünder, zugleich schließen sie auch den Menschen in den Nährstoffkreislauf ein und produzieren Dünger für den eigenen Garten. So nutzt man alle Ressourcen und geht auch intelligent mit ihnen um. Das erhöht die Chancen, der Armut zu entrinnen. Es gibt natürlich Hürden: weil Gas und Holz zu teuer sind, heizen die Menschen mit getrocknetem Kuhdung. Der fehlt dann dem Boden.

In Fürstenfeldbruck will UNSER LAND seine Vermarktungsmethoden und sein Netzwerk vorstellen. Was davon könnte man auf Armenien übertragen?

Gero Fedtke: Es gab zwar auch zu Sowjetzeiten einen privaten Handel mit Agrarprodukten – gerade in den Kaukasusländern. Aber unter den derzeitigen postsowjetischen Bedingungen ist das Agieren auf dem Markt für die Landwirte, die zuvor in staatlichen Kolchosen tätig waren, eine neue Erfahrung. Es gibt auch in Armenien eine Nachfrage nach gesunden Lebensmitteln aus lokaler Produktion. Wenn ihre Produktivität steigt, haben die Landwirte auch etwas zu verkaufen. Die Landwirtschaftsspezialisten unserer Partnerorganisation AWHHE und Landwirte aus unseren Projektdörfern können in FFB an einem funktionierenden Beispiel sehen, wie sie sich durch Kooperation eine Marktnische erobern können.

Hedwig Spies