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"Giftladungen im Kinderzimmer" - Interview mit Alexandra Caterbow, WECF

Eine Million Spielzeuge wurden in Nürnberg ausgestellt. Viele davon sind aber gefährlich. Und daran werden auch neue Regeln der Europäischen Union nichts ändern, warnen Verbraucherschützer

10.02.2009 | Miriam Noll, Tageszeitung TAZ Berlin



Das größte Kinderzimmer der Welt wird ab heute wieder ausgeräumt. Etwa eine Million Spielzeuge, die auf der 60. Spielzeugmesse in Nürnberg zu sehen waren, müssen wieder eingeräumt werden. Und Verbraucherschützer würden sich freuen, wenn so manches Stück gar nicht mehr auftauchte.

Von Miriam Noll, TAZ, 10-02-2009

Giftladungen im Kinderzimmer

Kontrolleure des Gewerbeaufsichtsamts hatten nämlich auf der Spielwarenmesse an 477 Ständen rund 1.600 Spielzeuge überprüft. Etwa ein Viertel von ihnen wies Mängel auf, schwerwiegende sogar 3,5 Prozent. Darunter befanden sich zum Beispiel Plüschtiere mit leicht abfallenden und damit verschluckbaren Augen, Spielzeug mit nicht abgerundeten Schrauben und Magnetspielzeuge ohne Warnhinweise.

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Doch nicht immer sind die Gefahren so leicht zu erkennen, warnt Alexandra Caterbow, Spielzeugexpertin bei der Frauen- und Umweltorganisation Women in Europe for a Common Future (WECF): "Auch in den Neuheiten sind immer noch giftige Chemikalien enthalten."

Die neue Spielzeugrichtlinie, die am 18. Dezember vergangenen Jahres von der Europäischen Kommission verabschiedet wurde und in zwei Jahren in Kraft tritt, ändere daran nichts: "Mit ihr wird es schlimmer, als es eh schon ist." Den Kindern würde damit offiziell eine noch höhere Giftmenge zugemutet als vorher. Denn die neuen Grenzwerte werden pro Kilo Material festgelegt. Bislang richteten sich die Werte nach der für Kinder verträglichen Dosis.

Ein Beispiel lieferten der Präsident des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR), Andreas Hensel, und Vertreter des Bundes für Umwelt und Naturschutz (BUND) auf der Messe. Nach der gültigen Verordnung liegt der Grenzwert für Blei, das sich aus dem Produkt herauslösen darf, bei 90 Milligramm pro Kilo. Die neue EU-Richtlinie erlaubt 160 Milligramm. Ein Kind darf ab 2011 statt 0,7 ganze 1,24 Mikrogramm des Giftcocktails zu sich nehmen. Zu viel für die Kleinen, mahnen die Experten. Laut BfR beeinflusst Blei Nervensystem und Intelligenzentwicklung nachweislich negativ. Die Kritiker hinterfragen, was EU-Industriekommissar Günter Verheugen an der neuen Richtlinie lobte: etwa die niedrigsten Grenzwerte für toxische Substanzen und das Verbot von 55 Allergie auslösenden Stoffen. De facto seien die 55 Substanzen in Spuren von 100 mg pro Kilo weiter erlaubt, für Nickel, den häufigsten Allergieauslöser, sei kein Grenzwert vorgesehen.

Außerdem fehlen Informationen für die Käufer: "Es steht nie drauf, was drin ist", sagt Alexandra Caterbow, selbst Mutter von zwei Kindern im Alter von zwei und vier Jahren. Denn das CE-Siegel dürfe sich jeder Hersteller ungeprüft selbst geben. Die Sprecher des BUND kritisieren, dass Kontrollen durch unabhängige Institute für Kinderspielzeug nicht vorgeschrieben sind. Die Grenzwerte würden weder für inländische Produkte noch für Importe eingehend geprüft.

Weil nun weiterhin giftige Spielsachen auf den Markt kommen, hat das Netzwerk WECF einen Einkaufsratgeber im Handtaschenformat herausgegeben. Die kostenlose Broschüre soll Hilfestellung beim Einkauf unbelasteter Spielsachen geben. Sie ist kostenlos erhältlich beim WECF und kann auf der Homepage der Organisation heruntergeladen werden: WECF.